Geschichte "Saal-Unstrut Bahn" (Pfefferminzbahn)

DMV 15 - Kopie

( Ausschnitte aus der Festschrift zum 100 Jährigen Jubiläum , die leider nicht gedruckt werden durfte )                                           
Am 14. August 1874 wurde die Eisenbahnstrecke Straußfurt – Großheringen unter ihren damaligen Namen „Saal – Unstrut – Eisenbahn“ eröffnet .
100 Jahre sind in der Geschichte eine kurze Zeit . Doch hat in dieser relativ kurzen Zeit diese Eisenbahnstrecke eine große wirtschaftliche Bedeutung erlangt , die besonders nach 1945 am erfolgreichsten war .
Am 24.06.1847 wurde die „Stammbahn“ der Thüringischen Eisenbahn auf ihrer gesamten Länge von Halle über Weißenfels – Weimar – Erfurt – Gotha nach Eisenach eröffnet . Ihr folgten 1856 die Verbindung Corbetha nach Leipzig  1859 die von Weisenfels nach Gera über Zeitz .1867 wurde der Nordthüringische Raum durch die Eisenbahn Halle – Göttingen über Nordhausen – Leinefelde – Arenshausen erschlossen und Arnstadt erhielt mit einer Bahnverbindung nach Neudietendorf Anschluss an die Strecke Halle – Erfurt – Kassel . 1869 wurde die Eisenbahn Erfurt – Nordhausen eröffnet und 1870 die Eisenbahn von Gotha nach Leinefelde eingeweiht .
In dieser Zeit war die Vorbereitungsphase der „Saal – Unstrut – Eisenbahn“ in ihr entscheidendes Stadium getreten. Im Raum zwischen Harz und Thüringer Wald war noch eine große Lücke . Es fehlte eine Ost – West – Verbindung , um der Landwirtschaft , den Gartenländereien an der Schmücke und Finne und der empor strebenden Industrie an der Unstrut Rechnung zu tragen .
Weitsichtige Männer erkannten bald die Notwendigkeit eines solchen Bahnbaues .Es gab in Straußfurt eine Zuckerfabrik und in Sömmerda war ein Industriezentrum entstanden . Kindelbrück hatte eine Papierfabrik und in Weißensee wurde Stärke für Erfurt , Arnstadt und Leipzig produziert .Auch die Erzeugnisse der Landwirtschaft und Gärtnereien war beträchtlich . Dabei war Kölleda mit seiner umfangreichen Kräuteranbau wie Pfefferminz , Liebstöckl , Angelika usw. weit bekannt .In Buttstädt fanden bis zu 9 Märkte im Jahr statt , die mit Vieh aus ganz Deutschland beschickt und wo oft bis zu 1000 Pferde zusammengezogen wurden .Wenn man bedenkt , dass das alles auf schlechten Straßen transportiert wurde und lange Zeit in Anspruch nahm , so war der geplante Bau einer Eisenbahn ein gewaltiger Fortschritt .
Dass die Eisenbahn selbstverständlich auch für die Menschen ein großer Vorteil war , sei nur am Rande erwähnt .
In den Städten Weisensee , Sömmerda , Kölleda , Buttstädt und Eckartsberga bildeten sich Interessengemeinschaften  die sich am 28. Februar 1868 in Kölleda zu einem Gründungskomitee zusammenfanden .
Mitte Juni 1868 wurde von Obergeometer der Nordhausen – Erfurter Eisenbahn , Herrn von Bock , eine Denkschrift veröffentlicht , in der das Projekt einer Verbindungsbahn zwischen Langensalza und Sulza dargelegt wurde . Er schlug vor , daß die neue Bahn den Namen „Saal – Unstrut – Bahn“ tragen sollte und die Gotha – Leinefelder Strecke mit der Nordhausen – Erfurter , mit der noch später zu erbauenden Erfurt – Magdeburger und mit der Erfurt – Leipziger verbinden könnte . Nach ersten Überlegungen kam das Gründungskomitee zu der Einsicht , dass man , um die Finanzierung im Augenblick nicht zu hoch zu treiben , zunächst vom Bau der Verbindung Langensalza – Straußfurt absehen und die Konzession von den Staaten Preußen und Weimar für die Bahn von Straußfurt nach Sulza bzw. Kleinheringen erwirken sollte . Der Verlauf der Strecke wurde von Straußfurt über Weisensee , Sömmerda , Kölleda , Buttstädt und Eckartsberga nach Sulza festgelegt .Das Terrain war für den Bau einer Eisenbahn besonders günstig . Der Bahnhof in Sömmerda musste nur so angelegt werden , dass er mit der in Planung befindlichen Erfurt – Magdeburger Bahn und der Saal – Unstrut – Bahn zu vereint werden konnte .Über die Projektierung der Bahnhöfe gibt es ein Schreiben der „Königlichen Eisenbahn – Kommission in Berlin . Danach sollten die Bahnhöfe und Haltestellen bei größter Sparsamkeit in Bezug auf Größe , Raumverteilung usw. ausgeführt werden .
Da plante man zu Beispiel für den Bahnhof Buttstädt eine Besonderheit . Bedingt durch die häufigen Pferde – und Viehmärkte und der deshalb zu erwartenden großen Viehtransporte projektierte man eine große Viehladerampe mit entsprechenden Abstellgleisen und einen großen Viehhof . Außerdem erwägt man den Bau eines Lokschuppens mit Drehscheibe und Wasserstadion .
Der Endbahnhof Großheringen war als Gemeinschaftsbau der Saal – Unstrut – Bahn und der Saal – Bahn gedacht und sah im Projekt einen Inselbahnhof vor . Bekanntlich wurde er in dieser Form auch ausgeführt .
Nach Verabschiedung des Statuts für die Saal – Unstrut – Eisenbahn am 07.11.1871 wurde die neu gegründete Aktien – Gesellschaft mit dem Bau , der Ausrüstung und dem Betrieb zwischen Straußfurt und Großheringen beauftragt . Die Konzession wurde erst 1872 erteilt .
Nachdem alle Voraussetzungen für den Bau der Bahn erfüllt waren , beschloss man die Vergabe des Bauauftrages . Die Firma Schmidt und Bichel aus Kiel reichte im Juli 1869 ein Angebot ein , das sie auf Grund des Projektes des Obergeometers Bock von 1868 ausgearbeitet hatte . Im Voranschlag wurde für den Bau ein Betrag von 1 760 000 Talern genannt . Am 27. Juli 1869 wurde vom Aufsichtsrat und durch einen Notar in Kölleda ein so genannter „Enterprise – Vertrag“ , d.h. ein Unternehmervertrag , geschlossen .
Am 09. März 1872 wurde endlich der Bahnbau durch „Allerhöchste – Cabinets – Ordre“ genehmigt und sofort mit den Erdarbeiten begonnen . Die Strecke wurde von mehreren Stellen begonnen . Doch traten beim Bau laufend Änderungen ein , die Verzögerungen mit sich brachten . Alle Schwierigkeiten aufzuführen , würde in Rahmen dieser Abhandlung zu weit führen . Das ursprüngliche Anlagekapital wurde weit überzogen und betrug später
3 200 000 Taler . Trotz aller Schwierigkeiten ging der Bahnbau seinen Ende zu und es erfolgte die Abnahme der Strecke . Eine der ersten Prüfungen fand an der stählernen Brücke in Großheringen statt , auf die man 3 Lokomotiven fuhr und entsprechende Messungen durchführte , die als gut befunden wurden . Die eigentliche Abnahme der Strecke erfolgte am 07. August 1874 . Inzwischen beschäftigten sich auch einige Zeitungen mit dieser Eisenbahnstrecke und es wurden die ersten Fahrpläne veröffentlicht . Danach fuhren zu Beginn des Betriebes in jede Richtung drei Reisezüge .
Am Freitag , dem 14. August 1874 war es nun soweit , die Strecke Straußfurt – Großheringen wurde eröffnet . Über dieses Ereignis liegen leider nur wenige Nachrichten vor . Auf jeden Fall aber war man bemüht , ihm einen würdigen Rahmen zu geben . Erhalten geblieben sind auch die Namen der ersten Lokomotiven : „Sömmerda“ , „Buttstädt“ und „Saal – Unstrut“. Von der „Sömmerda“ existiert sogar noch ein Foto . An diesem denkwürdigen Tage dürfte auch der Name „Pfefferminzbahn“ entstanden sein .
Die Kölledaer hatten es sich nicht nehmen lassen , nicht nur ihren Bahnhof auf das Beste mit den heimischen Erzeugnissen auszuschmücken , sogar die erste Lokomotive war über und über mit Pfefferminz – Girlanden versehen worden . Ein Spötter soll danach das Wort ausgerufen haben : „Seht , da kommt unsere Pfefferminzbahn“ !
Schon nach 4 Tagen gab es leider in Weißensee den ersten tödlichen Unfall . Ein Schaffner , der bei der Einfahrt einem Bahnwärter etwas zurufen wollte , beugte sich zu weit vor und schlug mit dem Kopf gegen einen eisernen Laternenpfahl .
Auch über die erste Benutzung der Notbremse wird berichtet . Ein Schaffner hatte bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Buttstädt seine Sonntagsmütze verloren . Das war Grund genug , das Notsignal zu betätigen .Auf Grund vieler Schwierigkeiten , wie Kosten für Bahnunterhaltung , mehr Löhne , für Oberbau , mehr Feuerungsmaterial für die Lokomotiven usw. ergab die Bilanz am 31. 12. 1874 ein Defizit von über 13 000 Talern .Die Gesamtlänge der Strecke beträgt 52,77 km , gemessen von Mitte zu Mitte der Bahnhöfe Straußfurt und Großheringen . Innerhalb dieser Strecke wurden später noch zwei abzweigende Strecken in Betrieb genommen : Buttstädt – Rastenberg , die hier verkehrenden Züge wurden „Zwecke“ genannt und Kölleda – Laucha , Im Volksmund als „Finnebahn“ benannt .
Im Zuge der Rationalisierung wurden diese beiden Strecken bereits vor Jahren stillgelegt . Inzwischen fahren auf den Schienen der ehemaligen Saal – Unstrut – Bahn keine Dampflokomotiven mehr , obwohl hier eine ganze Reihe bewährter Dampflok – Baureihen ihren Dienst versahen , z.b. BR 55 , 57 , zum Teil auch die BR 58 und als letzte eine der besten Loks der ehemaligen Königlichen Preußischen Staatseisenbahn , die BR 38 , von der Fast 4000 Stück gebaut wurden sind .
Inzwischen ist auch auf dieser Strecke der Traktionswechsel vollzogen worden und alle Arten von Zügen werden von Dieselloks der Baureihe 110 befördert .
Die durch die frühere Deutsche Reichsbahn und den Hitlerkrieg sehr vernachlässigte Strecke , auf der das Reisen mehr als unangenehm war , wurde vor einigen Jahren unter großen Kosten vollständig erneuert , so dass das Reisen auf der „Pfefferminzbahn“ wieder attraktiv wurde . Es sind noch täglich einige tausend Werktätige , die mit dieser Bahn von und zur Arbeit fahren .

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